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18. Dez ‘17 SEMINAR XY
KUNSTRAUM sakrale orte

„Das echte Verhalten vor dem Kunstwerk....besteht darin, dass man still wird, sich sammelt, eintritt, mit wachen Sinnen und offener Seele schaut, lauscht, miterlebt. Dann geht die Welt des Werkes auf.“ - Romano Guadini
 
   
KUNST der ANDACHT – ANDACHT der KUNST  nennt sich ein künstlerisches Format im Spannungsfeld von TanzKunst und Kirche, das sich in einer über 20 Jahre währenden künstlerischen Spurensuche zwischen Tanz und Ritus entwickelte.
Wesentlich mitgeprägt hat es die intensive Beschäftigung mit der Evangelischen Messe an der evangelisch-lutherischen Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz in Hannover. Die ausgeprägte Liturgie dieser Gottesdienstform, ihre choreographischen, inszenatorischen Aspekte sprechen mich als Bühnendarstellerin an. In dem bewussten Umgehen mit Form, mit Raum und Zeit, mit Gebärde, in der Konzentration und Konsequenz, mit der Wort, Musik und Handlung in den Dienst des Wesentlichen gestellt werden, findet sich meine persönliche Auffassung von Tanz als Kunstform wieder. 
 
Das Tanzen vor dem Altar hat mein Selbstverständnis als Darstellerin sowie meine Kunst verändert. Es entwickelte sich eine innere Haltung heraus, die anstelle des Bedürfnisses nach vornehmlich Selbstausdruck eine des Dienens und der Ehrfurcht vor dem Göttlichen in Bezug zum Menschlichen sucht. Diese Haltung ist mir zum Korrektiv geworden für die Wahrhaftigkeit und Bedeutsamkeit einer Gebärde, deren absichtslose Selbstvergessenheit, ihre Sinnhaftigkeit.
 
Hier kann sich Künstlerisches mit Liturgischem verbinden in zweckfreiem Spiel wie in der disziplinierten Durchführung. Das Wiederholen und Vergegenwärtigen einer Bewegung, einer Form, einer Geste ermöglicht deren Einverleiben“ und „Durchdringen“. Ich  w e r d e  nach und nach zu der Gebärde und verbinde mich mit deren Wesen – Verwandlung beginnt. Ein kreativer Prozess darf sich vollziehen...
Es schenkt sich aus Gnade. Neben Kunstandachten zu unterschiedlichen Festzeiten im christlichen Jahreskalender entwickelte sich eine Art Andachtskunst – eine TanzKunst der Andacht.  
 
„Im Tanz verschwindet der Tänzer...“ (Gabriele Roth)
Als Tänzerin begreife ich das Leben aus der Bewegung heraus: ein Schritt erschließt sich mir im aufmerksamen Vollzug. Ich begreife die Welt im tastenden Fuß. Das Ohr lauscht – auf das Auf und Ab, das Loslassen und Ankommen, das Heben, Tragen, Stellen, Balancieren. Ich übe mich im Schreiten, in der schlichten Gebärde. Ich lerne zu unterscheiden und zu erkennen, was, wann, wie und wo geschieht. Die Kunst einer ganzheitlichen Wahrnehmungsschulung eröffnet mir den Zugang zu einem ganzheitlichen Erleben und der Frage: wer oder was tanzt da eigentlich?

D r e i  vor – Z w e i  zurück

Erlebnis des Schreitens


Ich komme an – ich atme aus – ich richte mich auf.
In der Stille horche ich auf den Impuls loszugehen.
Ich hebe den Fuß – ich balanciere.
Ich riskiere mein Gleichgewicht.
Im Ankommen finde ich wieder Halt.
Der hintere Fuß?
Er schiebt mich vorwärts, löst sich vom Boden.
Er will in die Luft -
Und wieder die Ungewissheit des Schwebens.
Ich taste nach Grund.
Im Ankommen das Entfernen.
Der hintere Fuß löst sich abermals.
Er hinterlässt eine Spur aus Vergangenem.
Der dritte Schritt -
Verharren im Zwischenraum von Gestern und Morgen.
Ich lausche in den vor mir liegenden Raum -
Ich atme ein.
Im Zurück geben die Schritte das Erlebte frei.
Im Entfernen ist Zeit für Betrachtung,
Die Welt vor mit weitet sich -
Rückbesinnen, vertrauen.
Ein letzter Schritt -
Ausatmen, um neu zu beginnen.



Beitrag „Kunst der Andacht – Andacht der Kunst“ in „Für den Gottesdienst“, Hrsg.: Arbeitsbereich Gottesdienst und Kirchenmusik im Michaeliskloster Hildesheim –   Evangelisches Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik, Nr. 86, September 2017




    
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